Optimierung der mechanischen Eigenschaften von additiv gefertigten Bauteilen durch gezielte Wärmebehandlung
Wärmebehandlung von 3D-Druck-Bauteilen
Subtraktive Fertigungsverfahren, wie Fräsen und Drehen, entfernen Material, bis die gewünschte Geometrie des Bauteils erreicht ist. Im Gegensatz dazu bauen additive Verfahren, allgemein als Additive Fertigung oder 3D-Druck bekannt, Bauteile schichtweise aus Materialien wie Metall, Kunststoff, Keramik, Glas, Sand oder anderen Stoffen auf, bis das fertige Bauteil entsteht. Bei diesen Verfahren können komplexe Bauteile oft in einem einzigen Prozessschritt nahezu in Endkontur gefertigt werden.
Viele 3D-Druck-Bauteile aus Metall erfordern, insbesondere bei hohen Anforderungen an mechanische Eigenschaften wie Festigkeit und Zähigkeit, eine nachfolgende Wärmebehandlung.
Die Gründe für die Wärmebehandlung additiv gefertigter Bauteile sind vielfältig. Es ist wichtig zu beachten, dass diese Komponenten oft Merkmale aufweisen, die sich von gegossenen, geschmiedeten oder zerspanten Bauteilen unterscheiden und oft nicht den optimalen Zustand für den sofortigen Einsatz darstellen:
- Bauteile aus additiver Fertigung können Poren oder Risse aufweisen, die durch unvollständiges Schmelzen des Pulvers oder eine inhomogene Abkühlung des Metalls entstehen.
- Aufgrund der thermischen Historie weisen additiv gefertigte Bauteile häufig lokal unterschiedliche Korngrößenverteilungen auf. Die Körner zeigen aufgrund der Erstarrung oft eine ausgeprägte Vorzugsrichtung in vertikaler Richtung.
- Diese gerichtete Mikrostruktur führt oft zu richtungsabhängigen mechanischen Eigenschaften (Anisotropie). Das bedeutet, dass sowohl die statische und dynamische Festigkeit als auch die Zähigkeit eines additiv gefertigten Bauteils signifikante Unterschiede zwischen der Quer- und Längsrichtung aufweisen können.
- Die additive Fertigung ist durch einen lokalen thermischen Energieeintrag, eine schnelle Abkühlung und die Wiederholung des Prozesses beim Auftragen jeder neuen Schicht gekennzeichnet. Dies führt zu lokalen Druck- und Zugbelastungen, die in einem komplexen Eigenspannungszustand des Bauteils resultieren können.
Diese Charakteristika beeinträchtigen oft die Tragfähigkeit additiv gefertigter Bauteile und begrenzen ihren Einsatz in hochbelasteten Anwendungen. Eine optimierte Wärmebehandlung kann jedoch viele der fertigungsbedingten Nachteile beseitigen oder reduzieren und die mechanischen Eigenschaften erheblich verbessern. Daher ist die Wärmebehandlung ein wesentlicher Bestandteil der Prozesskette in der additiven Fertigung.
Je nach den Anforderungen können in der Prozesskette der additiven Fertigung folgende Behandlungen durchgeführt werden:
Vor dem Bauprozess:
- Trocknen des Pulvers
Nach dem Bauprozess:
- Entbindern
- Sintern
- Spannungsarmglühen
- Normalglühen
- Diffusionsglühen
- Heißisostatisches Pressen (HIP)
- Thermochemische Verfahren der Wärmebehandlung
Das Trocknen des Pulvers ist ein vorgelagerter Prozess. Eine gleichbleibende Bauteilqualität erfordert eine hohe und gleichbleibende Qualität des Pulvers. Feuchtigkeit, die das Pulver bei der Lagerung aufnehmen kann, kann die Qualität des fertigen Bauteils beeinträchtigen. Eine Trocknung bei moderaten Temperaturen kann dem entgegenwirken.
Entbindern und Sintern im Metall 3D Druck
Bei binderhaltigen Fertigungsverfahren wird das Pulver in der ersten Stufe der Bauteilherstellung mit einem Bindemittel, meist Harzen, gebunden und schichtweise aufgetragen. Dies ergibt ein Bauteil mit ausreichender Festigkeit für den innerbetrieblichen Transport. Vor dem Sinterprozess muss das Bindemittel aus dem Bauteil entfernt werden.
Das Entbindern erfolgt durch Erwärmen des Bauteils auf die Verdampfungstemperatur des Bindemittels. Diese Temperatur muss genau eingehalten werden, damit die gasförmigen Zersetzungsprodukte aus dem Bauteil diffundieren können. Während und besonders nach dem Entfernen des Binders ist das Bauteil extrem instabil, da keine feste Verbindung zwischen den Partikeln besteht. Daher wird das Bauteil nach dem Entbindern durch Sintern stabilisiert, um die notwendige Festigkeit zu erhalten.
Entbindern und Sintern erfordern jeweils spezifische Temperaturen. Durch den Einsatz von Kombiöfen, die beide Temperaturbereiche abdecken, kann der Transport zwischen den Arbeitsschritten vermieden werden.
Das Entbindern und Sintern von Metallbauteilen erfolgt in der Regel unter Schutzgasen, die die Bauteile vor Oxidation schützen. Die Verwendung von wasserstoffhaltigen Schutzgasen ist ebenfalls möglich. Der Einsatz von Wasserstoff und die beim Entbindern entstehenden Dämpfe erfordern ein angepasstes Sicherheitssystem der Ofenanlage.
Eingesetzte Gase:
- Stickstoff
- Wasserstoff
- Argon
- 3D Heat Mix (2,65 % H2 in Ar)
Gasversorgungen:
- Stickstoff-Versorgung
- Argon-Versorgung
Spannungsarmglühen bei 3D-gedruckten Metallbauteilen
Die hohen Eigenspannungen in den meisten additiv gefertigten Bauteilen stellen eine hohe Rissgefahr sowie ein erhebliches Verzugspotenzial dar. Aus diesem Grund wird das Spannungsarmglühen fast immer als erster Prozessschritt nach der additiven Fertigung angewandt.
Der thermische Abbau von Eigenspannungen erfolgt durch die Abnahme der Festigkeit des Werkstoffs mit steigender Temperatur. Eigenspannungen, die die temperaturabhängige Streckgrenze überschreiten, werden plastisch abgebaut. Da die dabei entstehenden plastischen Deformationen Maß- und Formänderungen verursachen können, empfiehlt es sich, die Bauteile beim Spannungsarmglühen noch ungetrennt auf der Bauteilplattform zu belassen, um zusätzliche Stabilität zu gewährleisten. Um Oxidation der Metalloberfläche zu verhindern, muss das Spannungsarmglühen in einer Schutzatmosphäre erfolgen.
Eingesetzte Gase:
- Stickstoff
- Argon
Gasversorgungen:
- Stickstoff-Versorgung
- Argon-Versorgung
3D Bauteile Normalglühen und Diffusionsglühen
Aufgrund der Vorzugsrichtung des Gefüges sind die mechanischen Eigenschaften additiv gefertigter Bauteile häufig anisotrop. Um das Gefüge zu homogenisieren (gleichmäßige Kornform und -größe) und die mechanischen Eigenschaften (Beseitigung der Anisotropie) zu verbessern, kann ein Normal- oder Diffusionsglühen in definierten Gasatmosphären durchgeführt werden.
Eingesetzte Gase:
- Stickstoff
- Argon
Gasversorgungen:
- Stickstoff-Versorgung
- Argon-Versorgung
Heißisostatisches Pressen (HIP) bei gedruckten Bauteilen aus Metall
Das Heißisostatische Pressen (HIP) entfernt die Mikroporosität additiv gefertigter Bauteile. Durch die Kombination von sehr hohem Druck (bis zu 3.000 bar) mit Wärme (bis zu 2.000 °C) wird die interne Porosität durch plastische Verformung, Kriechen und Diffusion eliminiert. Durch die Reduzierung der inneren Porosität kann bis zu 100 % der theoretischen Dichte erreicht werden. Gleichzeitig wird die Duktilität erhöht und die Ermüdungsfestigkeit erheblich verbessert.
Eingesetzte Gase:
- Argon
Gasversorgungen:
- Argon-Versorgung
Thermochemische Verfahren der Wärmebehandlung
Um höchste Festigkeiten bei additiv gefertigten Bauteilen zu erreichen, können je nach Werkstoffzusammensetzung im letzten Prozessschritt thermochemische Verfahren der Wärmebehandlung wie Einsatzhärten, Carbonitrieren oder Nitrieren durchgeführt werden.
Thermochemische Wärmebehandlungsverfahren bei additiv gefertigten Bauteilen sind an folgende Bedingungen geknüpft:
- Die Bauteile sollten nicht zu komplex, filigran, dünnwandig, asymmetrisch und rau sein.
- Die Oberfläche muss aktiv sein (frei von Oxiden oder anderen Passivierungsschichten).
Dünnwandige und komplexe Strukturen stellen eine besondere Herausforderung bei der Wärmebehandlung dar. Diese Strukturen sind bei der thermochemischen Wärmebehandlung oft der Gefahr der kompletten Durchkohlung oder Aufstickung ausgesetzt, was sich negativ auf die mechanischen Eigenschaften auswirken kann. Zudem sind dünne und komplexe Strukturen besonders beim Abschrecken empfindlich gegenüber Verzug.
Flüssige Abschreckmedien wie Öle und Salze können innenliegende Strukturen stark verunreinigen, was die anschließende Bauteilreinigung erschwert. Daher werden bei komplexen Strukturen häufig Gase als Abschreckmittel verwendet. Der Einsatz von Hochdruckgasabschreckung kann Maß- und Formänderungen erheblich reduzieren und eine nachträgliche Reinigung aus der Prozesskette entfernen.